• Am Tag der Teampräsentation (heute 17:30 bis 19:15 Uhr live auf Eurosport) der Tour de France der versprochene Bericht zu den Favoriten im Gesamtklassement, der Punkte- sowie der Bergwertung. Hierbei darf ein kurzer Ausblick aus deutscher Sicht natürlich nicht fehlen:


    Lange hieß es im Team Ineos (ehemals Sky), dass man mit zwei gleichberechtigten Kapitänen starten wird, jedoch kam mit Chris Froomes (GBR) Sturz das böse Erwachen und Titelverteidiger Geraint Thomas (ebenfalls GBR) soll nun als Teamleader ins Rennen starten. Bei der vergangenen Auflage der Grande Boucle hat der Waliser bewiesen, dass er sich zu einem kompletten Rennfahrer entwickelt hat, der es auch im Hochgebirge (siehe die letztjährigen Etappensiege in La Rosière und Alpe d’Huez) mit den Bergziegen aufnehmen kann. Fraglich, wie er a) den Sturz bei der Tour de Suisse und b) die damit verbundenen wenigen Rennkilometer 2019 kompensieren kann, als Topfavorit gilt er aktuell zumindest. Vielleicht sitzt trotz Froomes Fehlen ein „Brutus“ im eigenen Rennstall: Mit Egan Bernal (COL), beim Giro d’Italia mit Verletzung ausgefallen, hat Ineos einen erstklassigen Kletterer und soliden Kämpfer im „contre la montre“ und folgerichtig Sieganwärter an Bord, dem vielleicht schon die Gegenwart und nicht nur die Zukunft gehört. Schwächelt „G“ oder läuft eine Etappe für den Kolumbianer, ist eventuell ein Wechsel des Teamleaders geboten.


    Nairo Quintana (COL, MOV) ist nicht nur ein “Evergreen” unter den Podiumsanwärtern, sondern erreichte dieses bereits dreimal in seiner Karriere (2013, 2015, 2016). Seitdem gilt der Kolumbianer trotz seiner überragenden Stärke im Hochgebirge als Zauderer bzw. Verwalter, der im Falle des Falles eher auf Sicherheit fährt, anstatt zu attackieren. Giro- Vierter Mikel Landa, Alejandro Valverde, Marc Soler (alle ESP) und weitere Kletterer (Girosieger Richard Carapaz aus Ecuador ist „nur“ als Helfer eingeplant) bürgen dafür, dass Movistar mit aller Macht angreift, vielleicht auch, indem man Quintana bei einer Formschwäche einem der Genannten opfert. Das vorhergesagte heiße Wetter könnte diesem Team zusätzlich in die Karten spielen.


    Adam Yates (GBR, MTS) hat seine Stärken ebenfalls im Gebirge, weshalb auch ihm der Kurs der Tour de France 2019 liegen sollte. Seine Schwächen im Zeitfahren könnte er wegen der wenigen Kilometer im Kampf gegen die Uhr kaschieren, hat aber wie Zwillingsbruder Simon Yates einen Malus: Meist erleben die Brüder an einem verflixten Tag einer dreiwöchigen Rundfahrt einen kompletten Einbruch, der zu immensen Zeitverlusten auf die Führenden führt. Diesem Umstand gilt es 2019 zu trotzen, dann ist für den sympathischen Zwilling vieles möglich! An der Qualität der Mannschaftskameraden sollte ein eventuelles Fiasko nicht liegen, sind mit Jack Haig (AUS), Matteo Trentin (ITA) und auch Zwillingsbruder Simon (auch als moralische Unterstützung) viele sehr gute Fahrer vertreten.


    Nicht ganz einig ist man sich über die Formkurve von Jakub Fuglsang (DEN, AST): Nach seinem Sieg im Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich ließ er zuletzt mit dem Sieg der Dauphiné erneut aufhorchen, einem Mehrtagesrennen in Frankreich. Noch immer ist seine Equipe gut besetzt und könnte ihren Kapitän im Gebirge ausreichend unterstützen.


    Die vergangenen sieben Jahre beendeten stets Fahrer aus dem Vereinigten Königreich im Maillot Jaune – ausgenommen 2014: Vincenzo Nibali (ITA, TBM). Fest steht: Der angriffsfreudige Athlet und große Taktiker wird das Rennen sicherlich bereichern, sei es mit halsbrecherischen Abfahrten oder riskanten Alleingängen im Gebirge, er hat ein gutes Näschen für die geringsten Schwächen seiner Widersacher. Fraglich jedoch, ob die Körner für die Frankreichrundfahrt reichen, schließlich war es Nibalis Ziel, als lokaler Held nochmal seine Landesrundfahrt zu gewinnen, was mit dem Vizetitel endete. Wer allerdings während seiner Karriere das Ziel jeder Grand Tour mindestens einmal im jeweiligen Leadertrikot erreicht hat, ist beileibe nicht abzuschreiben.


    Steven Kruijswijk (NED, TJV) hat schon gewonnen, weil er sich die Kapitänsrolle heuer nicht mit Primoz Roglic (SLO, TJV) teilen muss, der alles auf den Giro setzte und sich daran als Dritter etwas die Finger verbrannt hat. Nun hat der sehr beständige Niederländer und Vorjahresfünfte freie Fahrt und darf seine Kritiker widerlegen, die ihm das „Siegergen“ absprechen. In den Zeitfahren wird er gut abschneiden, ob es für ganz oben reicht, darf im Hochgebirge zumindest bezweifelt werden.


    Rigoberto Uran (COL, EFD) war schon einmal zweiter der Grande Boucle und geht als „Dark Horse“ ins Rennen, weil man ihn 2019 kaum wahrnahm. Fest steht, dass auch er vom Kurs profitiert und mit Tanel Kangert (EST), Tejay van Garderen (USA) und Simon Clarke breite Unterstützung in den Bergen erfährt.


    Auch Richie Porte (AUS, TFS) ist eine Wundertüte: Mehrmals als großer Gegenspieler Chris Froomes angereist, musste er wegen schwerer Stürze verfrüht und völlig demoralisiert nach Hause fahren (2017, 2018). Mittlerweile 33 Jahre alt, wird er nicht mehr viele Chancen haben, Paris auf dem Stockerl zu erreichen. Mit Bauke Mollema (NED) hat er einen ebenfalls Unvollendeten in seiner Equipe, der als guter Kletterer für seinen Kapitän in die Bresche springen wird – oder selbst auf die Gesamtwertung spekulieren darf, falls Porte erneut nicht weiterfahren kann.


    Seit 1986 gilt ein ungeschriebenes Gesetz: Kein Franzose gewinnt die dreiwöchige Rundfahrt durch seine Heimat! Auch 2019 werden zwei von ihnen zumindest mit Podiumsambitionen am Start sein, zumal sie dieses bereits ein- bzw. zweimal auf der Habenseite stehen haben. Beide haben Schwächen im Zeitfahren, die bekanntlich dieses Jahr auf wenige Kilometer begrenzt sind, gehören jedoch im Hochgebirge zu den Besten ihrer Zunft. Die Rede ist von Romain Bardet (ALM) und Thibaut Pinot (GFC). Bardet wird wieder angreifen, wenn sich die Chance ergibt, leider verpufften diese im Vorjahr zu häufig (im Gesamtklassement 2018 „nur“ Platz 6). Das Team ist voll auf ihn als Leader ausgerichtet und die Unterstützung der Grande Nation am Straßenrand wird ihm einige Prozent Extramotivation verleihen, um vielleicht ganz vorne zu landen. Diesen Beistand wird er sich heuer mit Pinot teilen müssen, der seinen Formaufbau 2019 explizit auf sein Heimrennen ausgelegt hat, bei der Dauphiné mit Platz 5 bewies er, dass dies funktionieren könnte. Er ist ein kompletter Rennfahrer, der die ganze Unterstützung der Mannschaft erhält, dafür wurde sogar Sprinter Arnaud Démare (FRA) zu Hause gelassen. Zu seinen Schwächen im Zeitfahren kommt die Unbeständigkeit, immerhin musste er die Tour de France 2016 und 2017 sowie den Giro 2018 (mit einer schweren Lungenentzündung, die ihm die Teilnahme an der Tour kostete, im Herbst kam er dann allerdings stark zurück und triumphierte unter anderem auf der Lombardeirundfahrt, einem der Monumente des Radsports) abbrechen.


    Aus deutscher Sicht ist ganz klar Emanuel Buchmann vom bayerischen Team Bora-hansgrohe der Mann fürs Gesamtklassement. Bereits vor den verletzungsbedingten Absagen von Chris Froome und Tom Dumoulin war es Ziel des Ravensburgers, unter den Top 10 zu landen, folgerichtig muss die Vorgabe nun ein Platz unter den Top 8 sein. Damit gehört er zum erweiterten Kreis der Favoriten, auch wenn er sich die Kapitänsrolle mit einem andren Fahrer teilen muss (siehe Grünes Trikot). Platz drei bei der Dauphiné bestätigte zuletzt den Optimismus im Lande der Dichter und Denker, endlich wieder einen guten Klassementfahrer nach Frankreich zu schicken. Die guten Kletterer Patrick Konrad (AUT, möglicherweise selbst in der Lage, weit vorne zu landen) bei seiner ersten Teilnahme und der in seiner Leistung etwas sprunghafte Rafal Majka (POL) werden Buchmann nach Kräften unterstützen, seine Ziele zu erreichen.


    FAZIT: Es gibt dieses Jahr bei der Tour de France keinen klaren Favoriten dafür viele Profis, die am Ende aufs Podium fahren könnten. Eine Tour ohne Dominator finde ich persönlich immer charmant, vielleicht kristallisiert sich allerdings doch jemand heraus, der den anderen deutlich überlegen ist (Thomas?).

    Die Ausgangslage erinnert etwas an die Tour 2006, als Seriensieger Lance Armstrong seine Karriere beendet hatte, beinahe die gesamte Weltelite um Jan Ullrich, Ivan Basso, Francisco Mancebo, Joseba Beloki und Oscar Sevilla im Rahmen des Dopingskandals Fuentes vor dem Start ausgeschlossen wurde und sich plötzlich viele Fahrer aus der zweiten Reihe im Rahmen einer tollen Tour duellierten (ja, Floyd Landis hat das anschließend zerstört!). Sieger damals war der ziemlich unbekannte Oscar Pereiro Sio (ESP). Es wird spannend!!!


    Das Grüne Trikot geht nur über Peter Sagan (SLK), ebenfalls Bora-hansgrohe und Co- Kapitän dieser Equipe. Er gewann in den vergangenen sieben Jahren sechsmal das begehrte Punktetrikot (Disqualifikation 2017 wegen eines gefährlichen Manövers gegen Mark Cavendish). Seine 106 Tage in grün sind bereits Rekord (vorher Erik Zabel mit 89 Tagen), mit dem 7. Grünen Trikot in Paris möchte der dreifache Weltmeister und Popstar des Radsports auch in dieser Kategorie Erik Zabel distanzieren und alleiniger Rekordhalter werden. Wie wichtig Sagan das Maillot Vert ist bewies er im Vorjahr, als er sich die letzten Tage trotz eines schweren Sturzes über die Berge schleppte und dem Besenwagen entkam. Seine Stärke im Gebirge ist auch ein Faustpfand im Kampf ums Punktetrikot, weil der Slowake so bei Rundfahrtsende mehr Körner als die Konkurrenz in den Beinen hat. Auch hat er bei Zwischensprints während Bergetappen Vorteile, sowie bei Ankünften kleiner Gruppen im hügeligen Gelände.

    Bei Sprintankünften duellieren sich Michael Matthews (AUS, SUN), Alexander Kristoff (NOR, UAE), falls man den ehemaligen Crosser Wout van Aert (BEL, TJV) trotz der Kapitäne Kruijswijk und Groenevegen lässt, Dylan Groenevegen selbst (NED, ebenfalls TJV), Elia Viviani (ITA, DQT), Caleb Ewan (AUS, LTS) und eventuell auch André Greipel (GER, PCB) mit Peter Sagan um Etappensiege. Die Deutschen John Degenkolb (TFS), Marcel Kittel, Pascal Ackermann (BOH) wurden genauso wenig nominiert, wie der 30- fache (!) Etappensieger Mark Cavendish (GBR, DDD).


    Im Kampf um das Trikot des besten Bergfahrers werden sich erst während der Rundfahrt wieder Anwärter finden, Titelverteidiger und super Allrounder Julian Alaphilippe (FRA, DQT) wäre ein logischer Kandidat, wenn er sich wieder dieses Ziel setzt. Nach zwei Etappensiegen 2018 hat er sich kürzlich geäußert, unbedingt zumindest einen Tag in Gelb durch seine Heimat fahren zu dürfen.


    Maximilian Schachmann (GER, BOH), seines Zeichens frisch gebackener deutscher Straßenmeister, wird bestrebt sein, in die „richtigen“ Ausreißergruppen zu kommen und dann den Etappensieg zu holen. Allerdings ist dieses Szenario erst im Laufe der 2. Oder 3. Woche realistisch, haben doch zu viele Sprintermannschaften eine gemeinsame Zielankunft im Sinn.

  • Als ersten des erweitereten Favoritenkreises erwischt es direkt 15 km vor dem Ende Jacob Fuglsang, hat eine aufgeplatzte Augenbraue davon getragen.

    Liegt jetzt etwa 1:30 hinter der Spitze, mal schauen ob sein Team das noch zufahren kann.

  • Das Mannschaftszeitfahren steht heute auf dem Programm. Team Ineos mit Titelverteidiger Thomas ist momentan letzter des Mannschaftsklassements, was nicht zuletzt an den Stürzen einiger Athleten inklusive Thomas selbst liegt. Daher eröffnet das ehemalige Sky Team das heutige Mannschaftszeitfahren über 27,6 km. Hier die Startzeiten:

    1 Team Ineos 14:30:00
    2 Team Arkea-Samsic 14:35:00
    3 Astana Pro Team 14:40:00
    4 Groupama-FDJ 14:45:00
    5 AG2R La Mondiale 14:50:00
    6 Movistar Team 14:55:00
    7 Total Direct Energie 15:00:00
    8 CCC Team 15:05:00
    9 UAE Emirates 15:10:00
    10 Trek-Segafredo 15:15:00
    11 Katusha-Alpecin 15:20:00
    12 Cofidis Solutions Credits 15:25:00
    13 Dimension Data 15:30:00
    14 Team Sunweb 15:35:00
    15 Bora-Hansgrohe 15:40:00
    16 Lotto Soudal 15:45:00
    17 Mitchelton-Scott 15:50:00
    18 Bahrain-Merida 15:55:00
    19 EF Education First 16:00:00
    20 Deceuninck-QuickStep 16:05:00
    21 Wanty-Gobert Cycling Team 16:10:00
    22 Team Jumbo-Visma 16:15:00