Crowdfunding - eine Finanzierungsalternative im Fußball?

  • Wie versprochen, eröffne ich mal die Diskussion zum Thema Crowdfunding. Ich werde in der Einleitung einiges kurz anreißen, aber nicht komplett ausführlich erklären. Können wir in den Kommentaren noch darauf eingehen.


    Einleitung

    Crowdfunding zu deutsch „Schwarmfinanzierung“...seht es mir nach, ich bleibe beim englischen Begriff.


    Definition / Grundidee: Eine große Masse von Menschen gibt einen persönlichen finanziellen Beitrag, damit ein Projekt realisiert werden kann. Prinzip: „Kleinvieh macht auch Mist“. Dabei wird meist All-or-Nothing-Prinzip verfolgt: sprich, der Projektstarter bekommt das Geld nur dann ausgezahlt, wenn der vorher festgelegte Betrag auch im Rahmen der Akquise erreicht wird.


    Ursprung: Künstler, die Alben von Fans vor-finanzieren ließen (2006), theoretisch ist die Idee aber schon viel älter z.B. Freiheits-Statue (1873)


    Unterscheidung: je nach Gegenwert, den die einzelnen Personen erhalten, werden verschiedene Formen von Crowdfunding unterschieden:

    - Crowdsupporting – materieller Gegenwert, Produkt zum Sonderpreis (Anwendung: z.B. Finanzierung von Produktinnovationen)

    - Crowddonating – kein Gegenwert, ggf. ideelle Belohnung (Anwendung: häufig gemeinnützige Zwecke)

    - Crowdlending – fremdkapital-basiert: monatliche Zins- und Tilgungszahlungen (Anwendung: Mikrokredite, Start-ups, Privatkredite, Projektfinanzierungen)

    - Crowdinvesting - eigenkapitalähnliche Beteiligungen, Gewinnbeteiligung (Anwendung: Start-ups, Immobilienfinanzierung)


    Plattformen:

    - Größte und ursprüngliche Plattform: Kickstarter

    - Größte in Deutschland: Startnext

    - Im Sport – „neue Säule der Sportfinanzierung“ (gemeinnützig): fairplaid.org

    - Crowdinvesting: Seedmatch, Bergfürst Crowdlending – kapilendo (z.B. Hertha), auxmoney, Funding Circle


    Rechtlicher Rahmen:

    - Crowdlending und Crowdinvesting fallen unter Regelungen des Kleinanlegerschutzgesetzes

    - Finanzierungsvolumen des Projekts ohne Prospekterstellung „nur“ bis 2,5 Mio. Euro möglich (daher hat Hertha auch nicht mehr gemacht)

    Prospekterstellung ab 2,5 Mio. Euro nötig und macht Crowdfunding aktuell im höheren Rahmen uninteressant

    - Investitionen von mehr als 10.000 Euro pro Person und Jahr sind für Privatpersonen nicht möglich.

    Ab 1.000 Euro Selbstauskunft notwendig. Außerdem darf die Investitionssumme das doppelte Monatseinkommen (netto) nicht übersteigen bzw. alternativ kann der Investor maximal den zweifachen Betrag seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens investieren, wobei auch hier die Höhe der Einzelanlage bei maximal 10.000 Euro liegt


    Kampagnen im Fußball (nur mit Links, Diskussion gerne in den Kommentaren)

    - Hertha BSC I

    https://www.kapilendo.de/proje…ca-4624-b63c-5b96f5eddecb


    - Hertha BSC II

    https://www.kapilendo.de/proje…98-497e-9488-d32f2f13b1e8


    - VfL Osnabrück

    Kampagne lief über Crowdrange, soweit ich das sehe, gibt es die Plattform aber nicht mehr (allerdings kann ich das nicht mit 100% Gewissheit sagen)

    Infos zur aktuell letzte Verlängerung der Kampagne, Geld wird in Fan-Anleihe überführt:

    http://www.vfl.de/news/news/ar…-zulassungsverfahren.html

    Erste Welle VfL Osnabrück 2014:

    § http://www.foobiz.de/projekte/2014/vfl-osnabrueck.html


    - Weitere Kampagnen (Auswahl)

    o Düsseldorf – von Fans organisiert für NLZ

    o Nürnberg – von Consorsbank organisiert für Stadionnamen

    o Lok Leipzig – aktuell läuft eine spendenbasierte Kampagne für einen Kunstrasenplatz, (https://www.leipziger-crowd.de/kunstrasenplatz-grossfeld)

    o ...


    Und ich habe es angedroht – ich kann mich bei dem Thema nicht kurzfassen – sorry!


    HIER NUN DIE FRAGEN:


    Welches Potential seht ihr in Crowdfunding – aber auch welche Probleme?


    Wenn wir an Crowdlending, Crowdinvesting denken: warum unterstützen Fans solche Kampagnen (Support des Vereins vs. Rendite-Streben)?


    Fan-Anleihe oder Crowdfunding – welche „Methode“ wird die Zukunft beim Thema fan-basierte Finanzierung bestimmen?


    Für welche Vereine (Profi vs. Amateur) eignet sich Crowdfunding und welche Art von Crowdfunding?



    Und bitte, nachdem ich jetzt in einen anderen Foren, Gruppen etc. komplett angemacht wurde bei dem Thema, es soll hier um eine sachliche, respektvolle Diskussion gehen ;) ....können wir dann morgen starten!

  • Und nochmal kurz zu meiner Doktorarbeit

    Es ist aus meiner Sicht unbestritten, dass Breitensportvereine von Crowdfunding profitieren können. Spendenprojekte gibt es zig tausende. Die Abwicklung über Plattformen wie fairplaid.org ist aus meiner Sicht ebenfalls für viele Vereine hilfreich. Darum soll es in meiner Arbeit nicht gehen. Fokus ist einzig und allein der Bereich Crowdinvesting und Crowdlending, erst einmal auch nur im Profi-Bereich und da sozusagen als Alternative zu den bisherigen Fan-Anleihen/Genussscheinen/..., bei denen von Vereinsseite bewusst damit kalkuliert wird, dass Fans ihr Geld in Form von Zinsen nicht zurückhaben möchten. Die Hypothese der Arbeit ist: in der aktuellen Niedrigzinsphase kann sowohl der Verein durch Crowdlending profitieren (geringe Kapitalkosten als bei einem Kredit von einer Bank aufgrund fehlender Sicherheiten) und auch der Fan (höhere Rendite als bei Spareinlagen etc.). Durch die Abwicklung über Plattformen wäre zudem die Transaktion vereinfacht (für beide Seiten) und die Rückzahlung sichergestellt bzw. automatisiert. Damit wäre eine gemeinsame Finanzierung von Projekten (ich spreche nicht von Transfers, das ist nicht erlaubt, den Versuch gab es auch bereits) möglich.


    Ich kann noch nichts zur Bestätigung /Ablehnung der Hypothese sagen, weil mir noch 713 Fan-Rückmeldungen bei der Umfrage fehlen. Sprich, ich mache mich mal wieder an die Arbeit, schreibe Fanclubs, Foren etc. an. Gute Nacht!

  • Soweit ich weiß, ist es ein hoher Aufwand eine Anleihe aufzusetzen. Dafür benötigen die Vereine auch wieder eine Agentur, die daran verdient.


    Ist es denn bei diesen Summen ebenso einfach wie man es von den kleinen crowdfunding Projekten her kennt? Falls ja, sehe ich hier aus Vereinssicht natürlich einen besonderen Vorteil.


    Wie man besonders bei Hertha sieht (haben damals auch schon Anleihen heraus gegeben), finden sich rasch genügend "Investoren". Wohingegen die online Möglichkeit natürlich noch einmal komfortabler ist, auch wenn ich jetzt nicht genau weiß, wie die Bonitätsprüfung läuft.


    Der Verein verschafft sich Liquidität. Kann die Auszahlung problemlos vornehmen, weil er gleich eine Anschlussfinanzierung vornimmt.


    Bei größeren Vereinen mit stärker Fanbase hätte ich auch keine Bedenken zu investieren. Aber bei sportlich abgeschlagenen Vereinen, wäre es mir zu riskant. Es gibt genügend Beispiele, die innerhalb weniger Jahre von der Bundesliga in die dritte Liga oder noch weiter abgestiegen sind.


    Daher würde ich persönlich wahrscheinlich kein Geld in die Vereine investieren, die eigentlich am nötigsten bräuchten.


    Ganz grundsätzlich bin ich auch gegen Investitionen in Fußballvereine. Das ist aber ein anderes Thema. Ich könnte mir aber auch nicht vorstellen, beispielsweise Hertha zu unterstützen, weil sie dadurch einen Vorteil Werder gegenüber hätten. Daher würde es für mich als Fußballinteressierten nur Werder oder einen Zweitligisten geben können.


    Zukunft hat das Modell in jedem Fall. Aber die Summen sind für die großen Vereine überschaubar, daher wird es immer nur ein kleiner Faktor sein.

  • Soweit ich weiß, ist es ein hoher Aufwand eine Anleihe aufzusetzen. Dafür benötigen die Vereine auch wieder eine Agentur, die daran verdient.


    Ist es denn bei diesen Summen ebenso einfach wie man es von den kleinen crowdfunding Projekten her kennt? Falls ja, sehe ich hier aus Vereinssicht natürlich einen besonderen Vorteil.

    Richtig, Fan-Anleihe ist ein enormer Aufwand für den Verein! Soweit ich es aus den Gesprächen ableiten kann, sollte man dafür mindestens ein halbes Jahr Vorbereitungszeit einplanen, schon allein der Genehmigungsprozess über die BaFin etc. (daher war dies damals beim VfL 2014 auch nicht möglich, weil sie schnell Geld brauchten). Agenturen, die dies begleiten, gibt es sicherlich, kenne ich im Moment allerdings keine. Von den Clubs, die Anleihen gemacht haben und mit denen ich gesprochen habe, wurde es jeweils in Eigenregie durchgeführt.


    Die Abwicklung über eine Crowdfunding-Plattform ist bei allen Summen "gleich" aufwändig, zumindest theoretisch und prozes-technisch...natürlich ist die Akquise der Beteiligten bei höheren Summen noch aufwändiger, aber hier aber Fußballvereine ja einen Vorteil aufgrund ihrer Reichweite (siehe Hertha, 9 Minuten) -


    Die Bonitätsprüfung obliegt der Plattform, und da sehe ich zum Beispiel ein Problem...denn die Plattformen wollen natürlich Projekte, und wenn es geht, zahlreiche Projekte, vor allem von großen Namen wie Fußball-Clubs...daher vermute ich, dass häufig die Bonitätsprüfung in einem solchen Fall eher "oberflächlich" durchgeführt wird (hier gibt es sicher reine Crowdinvesting-Plattformen bei denen dies anders sein mag, ich will nicht allen etwas unterstellen)

  • Bei Rot-Weiß Erfurt waren es 2014 ja nur Genussscheine, aber auch mit Prospekt samt detaillierter Bilanz und Schuldenaufstellung usw.


    Hierzu zwei Punkte, die S.Men auch schon zum Teil angeschnitten hat. Zunächst der Fakt, dass das Geld von S.Men durch die Insolvenz samt eigentlich attraktiver Zinsen jetzt weg wäre.


    Der andere Punkt ist, dass man "interessante Pakete" geschnürt hat. Natürlich: Um schnell Geld zu akquirieren. Da gab es beispielsweise optional die Möglichkeit zusätzlich Dauerkarten für die kommenden fünf Spielzeiten im Voraus zu kaufen - aber man bezahlt nur vier. Geld, was jetzt fehlt.

  • Egal wie man es dreht und wendet es geht doch eigentlich bloß darum den Leuten noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen?

    24.09.2012 - 08.12.2012
    Danke an Wayne Simmonds (Philadelphia Flyers, 9 Spiele, 4 Tore, 10 Assists), Chris Stewart (St. Louis Blues, 15 Spiele, 6 Tore, 14 Assists) sowie Clarke MacArthur (Toronto Maple Leafs, 8 Spiele, 4 Tore, 6 Assists)


    Bronze WM Tippspiel 2014

  • Ich finde das Thema recht spannend, muss ich sagen. Warum sich in der deutschen Übersetzung das Wort "Schwarmfinanzierung" durchsetzte, verstehe ich nicht. Gruppen- oder Gemeinschaftsfinanzierung wäre passender und klingt runder. Ich als Fan/Person würde mich bei den vorgestellten Unterscheidungen hinsichtlich einer persönlichen Beteiligung zu allererst fragen, ob ich eine Kapitalbeteiligung als klassische Spende betrachte (was Gewinne/finanzieller Nutzen unwichtig erscheinen lässt) oder als geschäftliches Investment. In beiden Fällen kann ich einen Reiz ausmachen. Und doch würde ich mich nur in Ausnahmefällen beteiligen. Warum sollte ich im Umfeld eines Milliardengeschäftes mein Geld für Vereinsinvestitionen einsetzen? Ich schaue einmal auf die Einnahmeseite der Profivereine und winke dankend ab. Geld setze ich bei meinem Lieblingsverein über Merch und Stadiongänge in einem ausreichenden Maße ein. Als Millionär würde ich vielleicht aufgeschlossener dazu stehen. Es existieren im In- u. Ausland unzählige Möglichkeiten überschüssiges Kapital in sinnvolle Projekte zu stecken. Bevor ich an Fußball denke, kommen mir z.b. hungernde Kinder in den Sinn. Mit anderen Worten, es hängt an Prioritäten. Als Investment interessiert mich wiederum, was letztendlich zurückfließt und wie es um das Ausfallrisiko bestellt ist. Ein, zwei Gedanken hatte S.Men dazu vorgebracht. Bevor ich ins Casino gehe und zocke, würde ich es tun. Ansonsten investiere ich lieber in andere Projekte aus denen ich Mehrwert ziehe. Crowdfunding verstehe ich als Risikokapital. Problematisch. Ich brauche einen guten Grund um mein Geld mit Freuden risikobehaftet auszugeben. Fußball, mag noch so viel Herzblut dranhängen, gehört nicht dazu.

  • Egal wie man es dreht und wendet es geht doch eigentlich bloß darum den Leuten noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen?

    Nicht unbedingt, zumindest sollte das nicht der langfristige Ansatz eines Vereins sein aus meiner Sicht. Wenn man jetzt mal unabhängig von Fußball oder meinetwegen auch im Fußball-Kontext (Hertha) die Teilnahme an einer Crowdfunding-Kampagne als Investment versteht und wirklich seine 4,5% auch einlöst (je nach Kampagne) hat man am Ende möglicherweise mehr Rendite als bei anderen Anlageoptionen, je nachdem wie das eigene Portfolio aussieht (auf Sicherheit bedacht, risikoaffin,...). Es gibt ja z.B. auch Immobillien-Crowdfunding Kampagnen, die deutlich höhere Rendite versprechen, die dann wirklich lohnend sind im Erfolgsfall (Risikokapital). Allerdings glaube ich, sollte man dann kein Fan des Vereins sein, weil man diese Entscheidung dann nicht rational trifft.


    Dann aber bin ich genau bei Mark und frage mich, ob ich in Fußball investieren will, weil dafür die Risikobewertung an sich zu schlecht ist...deine Übersetzung mit Gruppenfinanzierung gefällt mir übrigens auch viel besser. Wenn es um das Thema Spende geht, bin ich bei dir...da sehe ich andere gemeinnützige Projekte deutlich im Vorteil aus persönlicher Sicht würde ich eher an Unicef spenden als an meinen Lieblingsverein.

  • Maria

    Ich weiß, dass Anleihen im Fußball von Agenturen aufgesetzt wurden, weil eine dieser Agenturen bei mir an der Uni damals eine Arbeitsgruppe zu dem Thema gebildet hatte. Hertha hatte sich, nachdem sie die erste Anleihe allein durchgeführt hatten, bei der Folgeanleihe für Unterstützung entschlossen.


    Wenn ich mich nicht irre, gab es aber auch nur zwei Agenturen, die das überhaupt angeboten haben, denn so viele Fananleihen gab es insgesamt ja auch gar nicht.


    Aber ich will nicht zu off topic werden.