In einer besonderen Konkurrenzsituation befinden sich die Vereine aus der Hauptstadt. Sie heißen in der Regionalliga Nordost derzeit Berliner AK, FC Viktoria 1899 Berlin und BFC Dynamo. Es geht für sie mehr als um Punkte, Prestige oder stetige Entwicklung. Sie wollen das vermeintlich letzte Ticket in den Profifußball ergattern. Berlin besitzt das Potential in Größe und Breite für drei Profivereine ab der 3. Liga aufwärts, so lautet die gängige Auslegung in der Stadt. Eine Anzahl darüber hinaus halten eine Mehrzahl an Verantwortlichen und Fans für unrealistisch. Wer es als Erstes in die 3. Liga schafft, hätte beste Aussichten dauerhaft zur Nr. 3 Berlins aufzusteigen. Die Träume der Mitstreiter würden wie eine Seifenblase zerplatzen.
Mit der politischen Wende und dem Ende der Teilung begann auch für den Berliner Fußball eine neue Zeitrechnung. Die über Jahrzehnte gewachsenen Hierarchien in beiden Hälften der Stadt wurden über Nacht obsolet. Seit diesen Tagen ordnet sich das Kräfteverhältnis grundlegend neu. Der Prozess ist bis heute nicht vollständig abgeschlossen. In Westberlin hießen die prägenden bzw. bekanntesten Kräfte zur Wendezeit Hertha BSC und Tebe. Im Osten waren es BFC Dynamo und 1. FC Union Berlin. Letztere hatten mit den um sich greifenden Veränderungen anfangs einen gehörigen Nachteil zu Bewältigungen. Dennoch dauerte es ein paar Jahre bis sich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre Hertha BSC als unumstrittene Nr. 1 durchsetzte. Dahinter wurde es chaotisch, auf und nieder ging es immer wieder. Ab 2005 setzte sich Union Berlin spürbar ab und festigte seither die Position. Heute sind sie die klare Nr. 2 der Hauptstadt.
Die dritte Position ist vakant. Tebe und Dynamo hatten mit zu vielen Rückschlägen zu kämpfen, oftmals selbst verursacht. Mit den Jahren wuchsen neue Konkurrenten heran. Es ist daher kaum absehbar, wer am Ende "der Glückliche" sein wird. Die besten Chancen haben im Moment freilich die drei Regionalligisten. Lange Jahre wurde der Wettstreit in der Oberliga ausgetragen. Mit der 2012 vorgenommen Neustrukturierung des Unterbaus zur 3. Liga verlagerte er sich in die Regio Nordost. Ein Jahr zuvor gelang überraschend dem bis dahin als Skandalnudel verschrienen Berliner AK vor den anderen der Aufstieg in diese Spielklasse. Sie waren in der neu formierten Liga somit von Anfang an mit dabei und nutzten den Vorsprung für einen gehörigen Satz nach vorne. In der Regio reifte BAK zu einem semiprofessionellen Verein auf Augenhöhe mit anderen ambitionierten Klubs. 2013 kam Viktoria hinzu. Der zweimalige Deutsche Meister verschwand jahrzehntelang von der Bildfläche. Viktoria war einer der großen Verlierer der städtischen Teilung. Erst jetzt, Jahre nach der Wiedervereinigung erholen sie sich davon. Spätestens mit dem Zusammengehen mit dem Lichterfelder FC (2013) sind die Vikis als Berliner Großverein zurück auf der Bühne des Geschehens und ein ernsthafter Kandidat. 2014 folgte schließlich der BFC Dynamo nach. Alleine durch ihre Vergangenheit waren sie bis vor wenigen Jahren favorisiert, erst recht nachdem Tebe in die erneute Insolvenz rutschte. Ihren Nimbus haben sie verloren. Zu lange traten sie auf der Stelle, zu lange erfolgte keine signifikante Weiterentwicklung. Von den Möglichkeiten her sind heute alle drei auf Augenhöhe zu bewerten.
Durch den Flaschenhalseffekt nach oben und dem dadurch erschwerten Aufstieg können jederzeit weitere Berliner Vereine nachrücken, was unweigerlich zur Konkurrenzsituation eine sich verschärfende Verdrängung einleiten würde. Mit der VSG Altglienicke und Lichtenberg 47 spielen 2016/17 gleich zwei Berliner Oberligisten um den Aufstieg mit. Altglienicke wäre ein Eingreifen oder der Sprung in die 3. Liga nicht zuzutrauen. Dafür sind sie nicht gerüstet. Die 4. Liga ist Endstation. Für Lichtenberg wäre die Liga gleichfalls eine Herausforderung, aber dort stimmen die Voraussetzungen für eine ähnliche Entwicklung wie sie der Berliner AK oder Viktoria in zweiter Blüte durchmachten. In der Oberliga tummeln sich weitere Vereine mit Zielsetzung Regionalliga. Tebe und Hertha Zehlendorf wollen perspektivisch hinzustoßen und in den Kampf um die Nr. 3 der Stadt eingreifen. Und selbst in der Berlin-Liga haben einige Klubs Morgenluft geschnuppert. Die alten Granden Tasmania und Blau-Weiß Berlin lauern. Der Traum reicht tief, der Glaube ist stark. Je tiefer wir schauen, desto weniger Realismus bestimmt den täglichen Alltag.
Chancen haben sie alle, nicht nur die Genannten. Früher oder später werden wir eine Antwort präsentiert bekommen. Bis dahin schäumen die Träume in der Berliner Fußballszene. Für einen wird er in Erfüllung gehen, so glaubt man an der Spree.
Eigener Bericht, FFD 2017